Ein Weltbild ohne Legenden
Ein Weltbild ohne Legenden
Abenteuer Universum
Abenteuer Universum

Das Inflationäre Universum

Nachdem die Urknalltheorie in den 1930er Jahren gefunden und 1965 durch den Nachweis des vorhergesagten kosmischen Mikrowellenhintergrundes  eine breite Anerkennung gefunden hatte, wurden in der Folge Probleme entdeckt, die ihr ziemlich zu schaffen machten. Bestimmte Beobachtungen waren mit der Theorie nicht in Übereinstimmung zu bringen. So konnte die Gleichförmigkeit der kosmischen Hintergrundstrahlung im Rahmen des Urknallmodells nicht erklärt werden. Nach der Urknalltheorie hätte sich die Gleichförmigkeit nicht so herausbilden können, wie sie sich nachweislich herausgebildet hat. Außerdem gab die beobachtete Flachheit des Universums den Kosmologen lange Zeit Rätsel auf. Die Flachheit des Universums hätte der Theorie folgend von Anfang an auf unvorstellbar viele Nachkommastellen genau festgelegt sein müssen. Nur geringe Abweichungen davon hätten ein Universum entstehen lassen, das völlig anders gewesen wäre, als das, das wir heute beobachten. Ende der 1970er Jahre entwickelte der US-amerikanische Physiker und Kosmologe Alan Guth eine Theorie, mit der die Probleme der Urknalltheorie gelöst werden konnten. Allerdings hatte er eigentlich ein drittes Problem im Fokus, das Problem nämlich, dass sich magnetische Monopole, die den physikalischen Theorien folgend in der Frühzeit des Universums entstanden waren, nicht nachweisen lassen, obgleich sie beobachtbar sein sollten. Die Lösung Guths bestand in einer, wenn man so will, Erweiterung der Theorie, die sich mit dem Verhalten des Universums unmittelbar nach dem Urknall beschäftigte. nach dem Urknall soll sich das Universum nach Guths Theorie in extrem kurzer Zeit extrem weit aufgebläht haben. Dieses Verhalten gab der Theorie ihren Namen Inflationstheorie (im Englischen to inflate für Aufblähen, aufblasen). Nicht lange nach Guth Entdeckung wurde die Theorie erneuert und damit einige „technische“ Probleme des ursprünglichen Entwurfs beseitigt. Die "Neue Inflation" wurde von Andrei Linde, Paul Steinhardt und Andreas Albrecht Anfang der 1980er Jahre postuliert. In der Folge entwickelte sich die Inflationstheorie zu einem kosmologischen Prinzip, auf dem letztlich auch die Vorstellung über die Existenz eines Multiversums basiert.

Physikalisch wird die inflationäre Expansion auf die Unterkühlung eines Energiefeldes zurückgeführt, das die Eigenschaften eines sogenannten Higgs-Feldes besitzt. Zur Differenzierung anderer Higgs-Felder wird es häufig auch als Inflaton-Feld bezeichnet. Während sich das Universum weiter "normal" ausdehnte und abkühlte, blieb das Inflaton-Feld auf einem Energieniveau „hängen“, das höher war als die Energiedichte, die der Temperatur des abgekühlten Universums entsprach. Das Verlassen dieses Energieniveaus erfolgte verzögert, vergleichbar mit der Situation von hochreinem Wasser, das unter den Gefrierpunkt abgekühlt wird, ohne dass es zunächst zur Eisbildung kommt. Das quasi auf einem Energieplateau gefangene Energiefeld verfügte über ziemlich befremdlich anmutende Eigenschaften. Es blieb, wenn auch nur für sehr kurze Zeit und trotz weiter fortschreitender Expansion, konstant. Es erzeugte im System Universum einen negativen und konstanten Druck, der zu einer abstoßenden Gravitationskraft führte und das Universum in extrem kurzer Zeit extrem weit auseinander trieb. Nachdem das Energiefeld das Energieplateau verlassen und den sogenannten Vakuumzustand erreicht hatte, übernahm es die Rolle des "Higgs-Ozeans", der den Elementarteilchen zu ihrer Masse verhalf und verhilft. Das das Higgs-Feld konstituierende Higgs-Teilchen wurde inzwischen am CERN in Genf nachgewiesen. Es ist allerdings noch nicht ausgemacht, welches der vielen postulierten Higgs-Teilchen genau beobachtet wurde. Unabhängig davon ist diese Geschichte der Inflation ziemlich verrückt.

Die Probleme der Urknalltheorie

Wir besprechen die drei bekanntesten Probleme, die sich aus der Theorie des heißen Urknalls ergeben. Es handelt sich um das sogenannte Horizontproblem, das Flachheitsproblem und das Problem der magnetischen Monopole. Wir besprechen die Probleme in der genannten Reihenfolge.

 

Das Horizontproblem 

 

Wir wissen, dass die kosmische Hintergrundstrahlung über den ganzen Himmel extrem gleichmäßig verteilt ist. Der Radius dieses homogen ausgebildeten Bereichs ist also gegenwärtig mindestens so groß wie der Partikelhorizont. Wir lassen nun den  Expansionsfilm gedanklich bis zur Rekombinationsepoche zurücklaufen. Der Radius des seinerzeit, also in der Epoche der Rekombination, homogen ausgebildeten Bereichs muss dann auf der Skala des Universums der Rekombinationsepoche gelegen haben. Die Skala des Universums zur Reombinationazeit lässt sich im Rahmen des Modells berechnen. Sie liegt bei einem Tausendstel der gegenwärigen Horizontgröße. Als die Strahlung frei wurde, muss also der Radius des homogen ausgebildetenen Bereichs mindestens ein Tausendstel des gegenwärtigen Beobachtungshorizonts umfasst haben. Man kann zwar annehmen, dass das Universum von Anfang so extrem homogen war. Man wäre damit fertig und es gäbe kein Horizontproblem. Eine derartige "Voreinstellung" ist aber nur schwer akzeptierbar. Einen Temperaturausgleich Deus ex Machina kann sich nämlich kein Physiker vorstellen. Es muss also einen Prozess gegeben haben, der für den Ausgleich der Temperaturen verantwortlich war, vergleichbar mit heißem und kalten Wasser, das in einem Gefäß zusammengeschüttet über kurz oder lang eine ausgeglichene Temperatur annimmt. Nach geltender Physik kann sich aber ein Prozess niemals schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Wenn seit dem Urknall bis zur Rekombinationsepoche genug Zeit gewesen wäre, in der sich dieser Prozess hätte ausbilden können, hätten wir kein Problem. Das Horizontproblem wäre gegenstandslos. Leider ist das nicht der Fall. Der Weg, den Licht seit dem Urknall bis zur Rekombinationsepoche hatte zurücklegen können - das zeigen die Berechnungen - betrug nur einen Bruchteil des Radius des in der Rekombinationsepoche homogen ausgebildeten Bereichs. Das Verhältnis lag  - abhängig vom Modell, in dem man rechnet - bei bis 50:1. Der Radius des homogenen Raumgebietes in der Rekombinationsepoche war bis zu 50 mal größer als der Weg, den Licht seit dem Urknall hatte zurücklegen können. Das ist das Horizontproblem. Es ist mit der klassischen Urknalltheorie nicht vereinbar, dass sich die Temperatur des Universums seit dem Urknall so gleichmäßig hatte ausbilden können, wie sie sich nachweislich bis zur Rekombination ausgebildet hat.

 

Das Flachheitsproblem

 

Wir wissen, dass das Universum nahezu flach ist. Es gilt die sogenannte euklidische Geometrie, das heißt zum Beispiel, dass der Satz von Pythagoras richtig ist und sich parallele Linien nicht schneiden.

 

Die Urknalltheorie verlangt - das zeigen Berechnungen -, dass das frühe Universum extrem flach gewesen sein muss, um den heute gemessenen Wert, der das Universum als nahezu flach indiziert, zu erreichen. Nur sehr geringe Abweichungen von dem scheinbar exakt eingestellten Wert hätten zu einem völlig anderen Universum geführt als zu dem, das wir heute beobachten. Man könnte zwar die extreme Voreinstellung als gegeben akzeptieren und das Flachheitsproblem wäre aus der Welt. Die Wissenschaft hat mit derartigen Voreinstellungen allerdings Probleme. Sie verlangt ganz eindeutig nach einer Erklärung.  

 

Das Problem der magnetischen Monopole 

 

Den physikalischen Theorien folgend bildeten sich im sehr frühen Universum  sogenannte magnetische Monopole. Da die Monople mit anderen Teilchen nicht wechselwirken, konnten bis in die gegebwärtige Epoche keine magnetische Monopole verschwinden. Berechnungen zeigen, dass ihr durchschnittlicher Abstand bei wenigen Zentel Millimeter liegen sollte. Die Monoploe müssten deshalb beobachtbar sein. Dummerweise hat man bis heute keine magnetischen Monopole nachweisen können. Die Theorie, die die Bildung der Monopole vorhersagt, aufzugeben, ist nach verbreiteter wissenschaftlicher Meinung keine Alternative. Damit ist das Problem der magnetischen Monopole ein Problem der Urknalltheorie.   

Die Lösung der Urknallprobleme

10^-34 Sekunden nach dem Urknall war ganze Spuk auch schon wieder vorbei. Das Universum expandierte ab diesem Zeitpunkt wieder "normal" schnell, also so, wie es die Urknalltheorie vorhersagt. Insofern ist die Inflationstheorie "nur" eine Ergänzung der Urknalltheorie für das sehr frühe Universum. Wir zeigen nun in aller Kürze, wie sich durch die Inflation die Probleme der Urknalltheorie in Luft auflösten.

 

Die Lösung des Horizontproblems

  

Zum Zeitpunkt des Beginns der inflationären Phase war das Universum homogen. Es  verfügte also über eine ausgeglichene Temperatur. Die Zeit seit dem Urknall hatte ausgereicht, um das Universum in diesen Zustand zu breingen. Die Inflation blähte das Universum zwischem dem Beginn der Inflation und ihrem Ende um den Faktor von ca. 10^26 auf, so dass das Universum am Ende der Inflationsphase die Größe einer Pampelmuse hatte. Sein Durchmesser lag bei ca. 10 cm. Die Inflation hatte gleichzeitig bewirkt, das die Gleichmäßigkeit der Temperatur auf das ausfgeblasene Raumgebiet übertragen wurde. Das heißt, das aufgeblasene Raumgebiet hatte eine ausgeglichende Temperatur, ohne dass herkömmliche physikalische Prozesse diese herbeigeführt hätten. Im Zuge der im Anschluss stattfindenden "normalen" Expansion erreichte der homogene Bereich des Universums der Rekombinationsepoche die erforderliche Größe, die das Horizontproblem gegenstandslos werden ließ.

     

Die Lösung des Flachheitsproblems

 

Die Inflationstheorie sagt für das Ende der Inflationsphase – je nach Ausprägung der Theorie – ca. 10^-34 Sekunden nach dem Urknall ein nahezu flaches Universum vorher. Es ist die extreme Aufblähung des Universums, die den sogenannten Dichteparameter nach der Inflationsphase gegen eins trieb und ein flaches Universum generierte. Damit ist die bis dahin nicht erklärbare extrem genaue Voreinstellung des Dichteparameters nicht mehr notwendig.

 

Das Problem der magnetischen Monopole

 

Gegenüber der Standardtheorie wurde das Universum zwischen der gegenwärtigen Epoche und dem Beginn der Inflationsphase um den Faktor 10^50 aufgebläht. Der mittlere Abstand der magnetischen Monopole liegt damit bei ca. einer Million Lichtjahren (im Vergleich: die große Achse unserer Milchstraße misst gerade mal 100.000 Lichtjahre). Es ist plausibel, dass die magnetsischen Monopole unter diesen Bedingungen nicht oder zumindest sehr schwer detektierbar sind. Die Inflation erklärt also, warum wir noch keine Monopole beobachtet haben, sodass die Theorie der magnetischen Monopole mit der um die Inflationstheorie erweiterten Urknalltheorie verträglich wird. Zumindest steht sie zu dieser nicht mehr im Widerspruch.

In dem Buch

Das inflationäre Universum; Über Probleme der Urknalltheorie

habe ich die gerade behandlete Thematik etwa ausführlicher dargestellt. Für das Verständnis sind grundlegende mathematische und physikalische Kenntnisse notwenig, die sich aber glücklicherweise auf Schulkenntnisse beschränken, wenn sie vielleicht auch in dem einen oder anderen Fall möglicherweise aufgefrischt werden müssen. So können sich auch die in den Naturwissenschaften eher nicht so Beheimateten mit Geimnissen der Kosmologie vertraut machen. Sie ist immerhin die Wissenschaft, die sich mit der Entstehung und der Entwicklung des Universums befasst und damit letztlich auch mit unserer eigenen Existenz, obgleich diese dem inflationären Universum ziemlich gleichgültig sein dürfte.

Das Buch ist im April 2014 im BoD-Verlag, Norderstedt, mit der ISBN 978-3-7357-9266-2 erschienen.

Die Arbeit gibt es auch als eBook.

Druckversion | Sitemap
© Klaus Becker

Diese Homepage wurde mit IONOS MyWebsite erstellt.